Wie tickt Generation Z?  [20.06.19]

Relevant? Oder Bullshit? Die Generation Z sortiert in der Info-Flut der sozialen Medien gnadenlos aus. Und hat auch in Sachen Job und Karriere ganz eigene Vorstellungen. Viele Unternehmen haben das allerdings noch nicht verstanden und tun sich deshalb schwer, die junge Zielgruppe überhaupt zu erreichen, glaubt der Hohenheimer Wiwi-Student Paul Reichardt. Mit seinem Beratungs-Startup agenZy will er Abhilfe schaffen. Wie es ist, in jungen Jahren Chef des eigenen Unternehmens zu sein, berichtete er kürzlich u.a. auch als Speaker auf der größten europäischen Digitalkonferenz re:publica 2019.

Paul Reichardt und Sam Eckert als Speaker auf der re:publica 2019. Bild: Paul Reichardt


Paul Reichardt (20) studiert in Hohenheim den Bachelor Wirtschaftswissenschaften im 4. Semester. Nach ersten unternehmerischen Projekten (Apps „Gamechecker“ und „Bittracker“) gründete er gemeinsam mit seinem Partner Sam Eckert (19) im Februar 2019 das Consulting Startup agenZy.

Hohenheimer Startups: agenZy

Kurz erklärt: Die Geschäftsidee in 5 Sätzen!

Wir haben festgestellt, dass es zwischen den Generationen einen immer größeren Gap gibt. Viele Unternehmen tun sich extrem schwer, die junge Zielgruppe zu erreichen. Sowohl wenn es um die Vermarktung ihrer Produkte geht, als auch beim Recruiting neuer Fachkräfte.

Das Problem: Vorstände, Manager und Personaler können sich zum Teil gar nicht hineinversetzen, wie die Generation Z tickt. Mit agenZy bieten wir deshalb strategische Beratung für Mittelständler und Großkonzerne an. Außerdem haben wir die breitgefächerte User Research Group „agenZy Legends“ aufgebaut, in der junge Leute für Befragungen, Produkttests etc. bereitstehen.

Was sollten Unternehmen denn unbedingt über die Generation Z wissen?


Der Alltag der Generation Z ist extrem schnelllebig und informationsüberflutet. Gerade deshalb schalten junge Leute auf Durchzug, wenn sie das Gefühl haben, das man ihnen Bullshit verkaufen will. Was relevant ist oder was nicht, wird innerhalb von Sekundenbruchteilen entschieden: Man muss nur mal beobachtet, wie schnell jemand in unserem Alter durch Instagram-Stories wischt.

Relevant ist alles, was junge Menschen als authentisch und persönlich wahrnehmen. Deshalb funktionieren Apps mit der Funktion „Freunden empfehlen“ zum Beispiel so gut. Auch das Influencer-Modell basiert ja auf dieser extrem persönlichen Ansprache. Glatte PR oder Aussagen von traditionellen Autoritäten dringen bei jungen Leuten dagegen kaum durch.

Auch die Kanäle selbst sind natürlich wichtig – und wie man sie nutzt. Manche Unternehmen denken tatsächlich, mit einer lieblosen Facebook-Seite wäre das Thema Social Media erledigt. Die meisten meiner Freunde sind aber z.B. überhaupt nicht mehr auf Facebook.

Was das Arbeitsleben angeht: Man hört oft den Vorwurf, die Generation Z sei faul. Ich denke, das ist Quatsch. Wenn wir ein Projekt finden, das für uns Sinn macht, hängen wir uns auch zu 100% rein, notfalls auch am Abend oder am Wochenende. Aber wir wollen mehr Freiheiten haben, wo, wann und wie wir arbeiten. Außerdem ist uns das soziale Umfeld extrem wichtig. Starre Hierarchien wirken dabei sehr abschreckend.

Inspiration: Wie kommt man denn auf so was?


Es war ein längerer Weg. Meinen ersten Businessplan habe ich mit 15 geschrieben. Ich habe die App „Gamechecker“ entwickelt, eine Plattform zum Preisvergleich für Online-Games. Das hat super viel Spaß gemacht, aber es hat sich finanziell nicht rentiert.

Dann habe ich Sam Eckert, meinen jetzigen Partner, kennengelernt und wir haben eine App im Bereich Krypto-Währungen entwickelt. Der anfängliche Hype um das Thema ist inzwischen allerdings abgeflacht und die Entwicklung nimmt erst allmählich wieder Fahrt auf.

Trotzdem hat uns das alles weitergebracht. Wir wurden z.B. auf die F8 Developer Conference von Facebook ins Silicon Valley eingeladen, inklusive Stipendium, und waren zu Meetings bei Apple und Google. Dadurch haben wir unser Netzwerk erweitert und kamen mit vielen potentiellen Investoren ins Gespräch.

Dieses Feedback war für uns enorm wertvoll. Mit Blick auf unser nächstes Projekt haben wir uns die Frage gestellt: Ist unsere eigentliche Stärke wirklich das Programmieren? Oder glänzen wir nicht eher darin, dass wir es schaffen den richtigen Draht zu jungen Leuten aufzubauen? So entstand die Idee für agenZy.

re:publica 2019: Als Speaker habt ihr auf Europas größter Digitalkonferenz erzählt, wie es ist, in jungen Jahren schon Unternehmer zu sein. Was ist eure die Message für andere Gründungsinteressierte?

Wir haben erstmal viel ausprobiert. Und wenn man jung ist, sollte man das ruhig auch tun. Von Rückschlägen sollte man sich nicht entmutigen lassen, sondern daraus lernen. Facebook war schließlich auch nicht das erste Projekt von Marc Zuckerberg.

Einer harten Wahrheit muss man aber irgendwann ins Gesicht sehen: Wenn man erfolgreich sein will, geht es nicht nur darum, worauf man selbst Bock hat – sondern vor allem darum, dass man ein Angebot schafft, das auch einen echten Need abdeckt.

Eine zweite harte Wahrheit: Als Gründer sitzt man nicht rum und schlürft Mate-Tee. Ein Startup heißt Arbeit, Arbeit, Arbeit. Wir versuchen Studium und unser Unternehmen unter einen Hut zu bringen. Das heißt: 20-Stunden-Tage sind für uns keine Seltenheit. Wochenenden gibt es nicht.

Wie hat das Studium in Hohenheim euer Projekt beeinflusst?


Wir wollen zwischen der jungen Generation und den Unternehmen vermitteln. Also müssen wir beide Welten verstehen. Mit einem Wirtschaftsstudium bin ich dafür breit aufgestellt – und es verschafft mir auch das notwendige Standing gegenüber unseren Kunden, zu denen u.a. große DAX-Konzerne, wie Banken und Automobilhersteller gehören.

Für Hohenheim habe ich mich entschieden, wegen des guten Rufs und weil es hier den Lehrstuhl Entrepreneurship gibt. Ich habe mich sofort im ersten Semester für die Startup Garage angemeldet. Das kann ich allen Gründungsinteressierten nur weiterempfehlen. An diese Stelle auch vielen Dank an Leif Brändle vom Team der Startup-Garage.

Außerdem setze ich damit eine Familientradition fort, denn auch mein Vater auch schon in Hohenheim studiert.

Zukunft: Wo seht ihr euch in ein paar Jahren?

Im Moment sind wir zwei Gründer und fünf weitere Leute im Team. Wir wollen auf jeden Fall schon bald weiter wachsen. Die Generationen-Problematik stellt sich ja nicht nur in Deutschland. Wer weiß, vielleicht nehmen wir in ein paar Jahren auch andere europäische Länder oder den amerikanischen Markt in den Blick.

In die fernere Zukunft können wir natürlich nur schwer blicken. Denn klar ist: Irgendwann wird auch die Generation Z von der nächsten Generation abgelöst werden. Ich frage mich dabei ja immer, was nach Z eigentlich kommen soll... Mit unseren Projekten werden wir auf jeden flexibel bleiben, uns stetig weiterentwickeln oder ggfs. auch wieder neu orientieren.

Interview: Leonhardmair


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